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Mehr Sicherheit für Motorräder in den Kurven

Das Bundesamt für Strassen ASTRA hat ein Projekt zur Optimierung der Sicherheit für Motorräder auf der Berner Seite des Brünigpasses lanciert. Um die besten Massnahmen zu finden, setzt das Amt auch auf Rückmeldungen der Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer.
Hintergrund des Projekts sind zahlreiche Unfälle in den letzten Jahren, an denen Motorräder beteiligt waren. Die Unfallzahlen auf der Brünigpassstrecke sind nicht höher als auf anderen Passstrassen. Trotzdem können die Erkenntnisse auf andere Passstrecken übertragen werden, meldet das ASTRA auf Anfrage. Für das Projekt analysierte das ASTRA im Sommer 2022 die Strecke und befragte zusammen mit der Schweizer Motorradlegende Jacques Cornu am Brünig Motorradlenkerinnen und Motorradlenker, um die Verkehrsrisiken zu evaluieren. Motorradlenkende konnten so ihre Erfahrungen und Beobachtungen mitteilen, aber auch selbst Tipps und Vorschläge zur weiteren Optimierung der Verkehrssicherheit einbringen.

Untersuchungen in Österreich und Luxemburg
Bereits 2016 hatten unsere österreichischen Nachbarn ein Pilotprojekt auf zehn kurvenreichen Strecken lanciert. Anlass war die Feststellung, dass viele Motorradfahrende Linkskurven falsch fahren.

Untersuchungen des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) in Österreich besagen,dass 95 Prozent von 800 analysierten Motorradfahrenden Linkskurven viel zu nah an der Mittellinie anfahren. Basierend auf den guten Erfahrungen in Österreich hat auch Luxemburg erste Strassen mit speziellen Markierungen für Motorradfahrende versehen. Die quer zur Fahrbahn aufgebrachten Striche sollen Motorradfahrenden den Kurvenbereich besser anzeigen, weil bei Schräglage Kopf und Oberkörper gefährlich weit in die Gegenfahrbahn ragen. Untersuchungen der zuständigen Luxemburger Strassenverkehrsbehörde ergaben, dass sich Motorradfahrende zu 99 Prozent an den neuen Markierungen orientierten und Kurven weiter aussen anfuhren.

Professionelle Motorradausbildung schützt und informiert
Optische Hilfen zum Erkennen von Kurvenradien, Leitplanken mit Unterfahrschutz und beschichteten Schachtdeckeln sollen helfen, die Unfallzahlen zu senken. Diese «passive Sicherheit» ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Doch was bei der Erhöhung der Verkehrssicherheit (nicht nur beim Motorradfahren) immer wieder unterschätzt oder vergessen
wird, ist das Thema Ausbildung. 

Die Aus- und Weiterbildung in der richtigen Blicktechnik, der Gegenlenktechnik und der Geschwindigkeitsgestaltung beim Kurvenfahren ist massgebend für die Wahl der richtigen Kurvenlinie. So wird auch bei nicht markierten Kurven automatisch die richtige Kurvenlinie gefahren. 

Investitionen in die Schulung wären sinnvoll 
Obschon in der Schweiz eine praktische Grundschulung (PGS) für Motorräder vorgeschrieben ist, reicht diese in den meisten Fällen nicht aus, um alle Lerninhalte des Motorradfahrens nachhaltig zu vermitteln. Auch fehlen in der PGS Lerninhalte wie das Autobahnfahren (siehe FL-Magazin 4/2022).

Wen wunderts, dass Neulenker, die mit 15 Jahren die PGS auf einem Kleinmotorrad (mit max. 45 km/h) absolviert haben, viele Jahre später ohne weitere obligatorische Schulung Mühe haben, Geschwindigkeit, Leistung und Mehrgewicht insbesondere beim Kurvenfahren richtig einzuschätzen? So begrüssenswert es auch ist, dass Bundesbern und ASTRA die Verkehrssicherheit erhöhen möchten, es bleibt unverständlich, dass der Aus- und Weiterbildung der Lenkenden nicht mehr Beachtung geschenkt wird und Investitionen getätigt werden. Es wird unmöglich sein, alle Linkskurven zu markieren. Aber mehr Information und Schulung in der richtigen Blicktechnik und Geschwindigkeitsgestaltung wäre eine lohnenswerte
Investition.
 

Online-Veröffentlichung: 23.3.2023
Beitrag: Ravaldo Guerrini
Quellen: ASTRA, Jungfrau Zeitung
Bilder: Kuratorium für Verkehrssicherheit – kfv.at